Gibt es einen MusikUnterricht nach JeKi?

Mit dieser provokanten Überschrift möchte ich auf den Zustand hinweisen, den die MusikErziehung aus meiner Sicht nach vier Jahren "Jedem Kind ein Instrument" erreicht hat.

Jedem Kind sein Instrument? So...
Dabei vergleiche ich die Gegenwart mit dem, was ich als hauptamtlicher MusikLehrer und zeitweilig FachBereichsLeiter mit dem SchwerPunkt "Elementare MusikErziehung" seit meinem BerufsEinstieg 1976 selbst praktiziert habe.

Die betreffende kommunale MusikSchule kann auf eine 60jährige Geschichte zurückblicken. In dieser Zeit hat sie stets effektiv gearbeitet, sowohl zentral im HauptGebäude, als auch in einer Vielzahl von Schulen und KinderGärten in den StadtTeilen und Vororten. Dabei bewegte sich ihre SchülerZahl stets im Bereich von 3000 bis 5000 SchülerInnen. Die ZusammenArbeit mit KinderGärten; Schulen, Kirchen und MusikVereinen, sowie ein reichhältiges KonzertAngebot sorgten - neben einer präzisen PresseArbeit - dafür, dass die MSDo vor Ort ein Begriff für nachhaltige MusikErziehung war, stets mit der Zweigleisigkeit von LaienFörderung und BerufsAusbildung. Kein Instrument, kein MusikStil wurden ausgelassen, und wo etwas fehlte, gab es in Kürze ein entsprechendes Angebot. Der AusbildungsWeg begann nach Möglichkeit mit der Musikalischen FrühErziehung und bot mit der Musikalischen Grundausbildung einen zweiten Einstieg für GrundSchulKinder. Das Curriculum gliederte sich in die üblichen Bereiche Grund-, Mittel-, und Oberstufe und führte bei entsprechendem Einsatz bis in die MusikHochSchule. Im Prinzip sind alle meine KollegInnen und Kollegen diesen Weg gegangen.
Nun entstand vor 4 Jahren die Idee der absoluten FlächenWirkung. Bedingt durch eine zunehmende passive MedienAbhängigkeit geriet die Möglichkeit des eigenen praktischen Musizierens für mehr und mehr Kinder an den Rand der Wahrnehmung. Einen GegenAnsatz sehe ich in der heute als etabliert geltenden ChorAkademie, der es zum ersten Mal gelang, alle SchulAnfänger in Dortmund auf ihr StimmTalent hin zu überprüfen. Aber aus durchaus nachvollziehbaren Gründen entwickelte sich diese Aktion nicht zu einem Projekt "Jedes Kind in den Chor"; es war eine reine TalentSuche...ZahlWechsel? - Nicht bei JeKi!
Dann zeichnete sich, angelehnt an das Bochumer Modell, die Möglichkeit ab, die MFE in den VormittagsBereich der GrundSchule zu verlagern - eine fantastische Chance, die problemlos Interessenten, Förderer und Unterstützer gewinnen konnte. Nun jedoch begann der "BlasenEffekt", vergleichbar mit der Börsen-, Immobilien- und BankenBlase. Unreflektiertes WachstumsDenken und reine TabellenGläubigkeit ließen einen Apparat entstehen, der mit Sicherheit wie seine Parallelen zusammenfallen wird. 40.000 Kinder an einer kommunalen MusikSchule und alle mit OrchesterInstrumenten ausgestattet? Da standen sie dann plötzlich vor mir: Früh eingeschulte ZweitKlässler, kaum größer als ein KinderGartenKind, mitten im ZahnWechsel und sollten C-Klarinette spielen, ohne in irgendeiner Weise über die GrundFähigkeiten des Musizieren zu verfügen: Konzentration, HörFähigkeit, ausgebildete Grob- und FeinMotorik, FrustrationsToleranz und das Wichtigste - die MitWirkungsBereitschaft der Eltern. Und als ob das nicht schon Aufgabe genug sei, wird ab dem 3. SchulJahr noch das "Orchester KunterBunt" angeboten - nicht aus pädagogischen, sondern rein aus KostenGründen!
Die FrühErziehung wird kaum noch nachgefragt ("Das kommt ja dann gratis im 1. Schuljahr), sodass unser Nachwuchs zwei kostbare LernJahre.verliert Und wie fühlen sich die musikalischen Talente in der Masse der nicht übenden Kinder? Ein Orchester mit Cajon, Gitarren, Akkordeon, Baglama, Violinen, Flöten, Klarinetten und Keyboards, die noch nie geübt oder ihre Instrumente selbst gestimmt haben, weil sie bei der Vorstellung derselben in den Glauben verfallen sind, es reiche aus, "etwas zu haben", dass man damit arbeiten muss, kam nicht rüber...
So verlieren wir das Wichtigste: die begabten Kinder.
Ich kenne keinen KollegenIn, die/der seinen eigenen Nachwuchs in diese Situation brächte!
...oder lieber so? Wenn überhaupt Klarinette bei JeKi...
Ich bin der Meinung, das 1. JeKiJahr ist die größte Chance, die sich den MusikSchulen bisher geboten hat. Die GrundSchulen sind ausnahmslos kooperativ und ermöglichen einen wöchentlichen KlassenUnterricht im VormittagsBereich. Jedoch nach einem Jahr muss sich die MusikSchule fragen lassen, was dabei herauskommt, und zwar für beide Seiten. War es wirklich mehr als Edutainment mit EventCharakter? Welche praktischen Grundlagen wurden angelegt? Akustische Orientierung, gemeinsames ElementarSpiel, sei es auf Orff-Instrumenten oder mit Einsatz von Händen und Füßen? Wissen die Kinder nach einem Jahr, das MusikLernen eine tägliche Aufgabe ist? Sind sie mit kindgemäßen Instrumenten versorgt oder mit einem Sammelsurium, dass nur dazu dient, auf Fotos gut auszusehen?

Wo bleibt unsere Verantwortung als MusikPädagogen?

Waltrop, 03.März 2011

 


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